Wer kennt den größten Unterschied zwischen Österreichern und Deutschen? Richtig: Die Sprache! Man muss schon ein paar Jährchen in diesem wunderschönen und geschichtsträchtigen Land zugebracht haben, um sich, auch im kulinarischen Sinne, verständlich unterhalten zu können. Denn in Österreich wird ein Hendl nicht frittiert, sondern gebacken! Es heißt ja auch Backhendl, und nicht Frittierhendl. Und es wird nicht in Öl ausgebacken, sondern in Butterschmalz. Traditionell, gleich dem Wiener Schnitzel. Ja, dem Wiener Schnitzel, nicht dem Schnitzel Wiener Art. Und wer auf diese kleinen, aber feinen Unterschiede keinen offensichtlichen Wert legt, der ist hier fehl am Platz, also im kulinarischen Sinne! Nicht, das man noch meinen könne, man würde mit einem Einreiseverbot belegt werden, nur weil man nicht das Feingefühl besitzt ein echtes Wiener Schnitzel in entsprechender Weise zu würdigen. Nein, Spaß beiseite, es verhält sich in der Tat so, das hier in Österreich mit größtmöglicher Sorgfalt und Liebe zum Detail gekocht wird. Und das geht sogar so weit, das sich seit einigen Jahren der Begriff „Kulinarisches Erbe Österreichs“ geprägt hat. Einer der größten Anhänger und Verfechter dieses kulinarischen Erbes ist Ewald Plachutta.
Seine Gesinnung hat er in unzähligen Publikationen zum Ausdruck gebracht. Und dies mit so großem Erfolg, das immer, wenn ich etwas über die österreichische Küche in Erfahrung bringen wollte, ich mir eines seiner Kochbücher zu Gemüte führte, und lernte! Und ich lernte auch, das die österreichische Küche eigentlich eine Fusion aus vielen Küchen ist. Küchen rings herum um diesen kleinen, anno dazumal noch monarchistischen Staat, der durch seine Verbindungen zu Ungarn, Italien, Frankreich oder dem ehemaligen Jugoslawien aus einem schier unendlichen Repertoire an kulinarischen Hochgenüßen verfügen durfte. Nur offenbaren sich dadurch aber auch solch hoch geschätzte Klassiker wie den Palatschinken oder dem Wiener Schnitzel nicht unbedingt als österreichische „Erfindung“. Den Palatschinken siedelt man eher in der römischen Küche an.
Und Bröselgebackenes Fleisch, wie dem Wiener Schnitzel schreibt man den Marranen zu, die das Gericht nach Ihrer Vertreibung aus Spanien nach Südosteuropa brachten. In Venetien wurde Fleisch teilweise mit Blattgold verziert, fand dann aber 1514 ein jähes Ende durch Verbot, und wurde durch die preisgünstigere Variante mit einer goldenen Bröselkruste ersetzt. Und Feldmarschall von Radetzky fand gefallen an dieser Zubereitungsart und importierte diese kurzerhand an den österreichischen Hof. Soweit die Kurzfassung. Und aus all diesen wunderbaren Einzelgerichten entstand eine interpretierte Küche, die europaweit ihres Gleichen sucht: die Wiener Küche! Und dieser Küche mit all ihren Vertretern fühle auch ich mich gegenüber verpflichtet. Und deswegen wird ein Wiener Schnitzel aus der Kalbsschale herausgeschnitten und ein Backhendl, ob nun steirisch oder nicht (in der Steiermark wird das Hendl traditionell mit der Haut paniert), gebacken! Und eben so ein gebackenes Hendl sehr ihr hier in meinem Bericht, klassisch serviert, mit Zitrone und Preiselbeeren und einem Erdäpfel-Gurkensalat.
Ich schneide mir die Hühnerstücke aus der Keule, denn die bleibt saftig und trocknet nicht aus wie die Brust. Für den Erdäpfelsalat kocht man sich eine Brühe auf. Bei der Würzung nicht zu zimperlich sein. Die Kartoffel nimmt viel Geschmack auf! Ich bevorzuge Senf, frisch gemahlenen Pfeffer, Weißweinessig, Salz und Zucker.
Alles zusammen mit der Brühe aufkochen. Ja, man setzt Kartoffelsalat warm an! Und die Kartoffeln koche ich in der Schale, mit Salz und ganzem Kümmel, immer. Eine Kartoffel soll erdig schmecken. Und die Schale und der Kümmel unterstreichen diesen Geschmack. Dann die von der Schale befreiten, noch warmen Kartoffeln in Scheiben schneiden und mit der Marinade übergießen, ziehen lassen.
Die Salatgurken wird in dünne Scheiben geschnitten und vorab nur gesalzen. Salz entzieht der Gurke Wasser. Und dieses Wasser hätte unsere Marinade nur geschmacklich verdünnt, also weg damit. Die in Semmelbrösel panierten und gewürzten Hühnerteile jetzt in Butterschmalz goldbraun ausbacken. Erst danach die Gurkenscheiben zu den marinierten Kartoffeln dazugeben. So bleiben sie schön kräftig grün, auch mit dem Essig in der Marinade. Nun nur noch etwas dekorativ anrichten, und der Gaumenschmaus kann beginnen.
hallo michael!
wirklich ein netter beitrag auf die österreichische küche! nur eine kleinigkeit: Palatschinke(n) hat nichts mit schinken zu tun. daher heißt es in österreich ‚die Palatschinke‘! lg
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Hallo „lustaufbrot““!
Zunächst einmal einen ganz, ganz lieben Dank für das Interesse an meiner Seite!!! Es freut mich wirklich sehr, wenn das, was ich tue, angenommen wird und, wie in Ihrem Fall, ich sogar entsprechende Resonanz erhalte. Denn darum geht es ja. Und lieben Dank für den Hinweis. Nur, ich habe in meinem Text den Begriff nur einmal verwendet, und den nicht im singular, sondern plural. Und auch die Fachausdrücke wie „Palatschinken“ oder „Topfenpalatschinken“ lassen sich im erwähnten Kulinarischen Erbe Österreichs nachlesen. Hier im speziellen „Die 100 klassischen Gerichte Österreichs“, von Ewald Plachutta und Christoph Wagner, ISBN 3-85223-471-9.
Noch einmal wirklichen Dank für den lieb gemeinten Kontakt, denn die meisten hier hinterlassen keine Aktion oder gar Reaktion. Somit bin ich für jede Nachricht dankbar und gerne auch bereit zu antworten.
Ihr Michael Stricker
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