Köche sind rar. Gute Köche sind absolute Mangelware. Und so kommt es nicht selten vor, das ein Koch auch das ihm beruflich vorgegebene Machtpotenzial bis zur Gänze versucht ist auszureizen. Wie weit kann ich gehen, bevor man mich feuert? Manchmal fühlt man sich wie im Kindergarten. Kleine Kinder sind auch stets bemüht, ihre Grenzen auszutesten, immer für einen Streich aufgelegt. Aber vor der großen Freiheit sind Regeln gesetzt. Regeln, die ein soziales Miteinander in der Küche ermöglichen. Und eine dieser Regeln lautet, das bei entsprechend starkem Geschäft und Arbeitsaufkommen auf keinen Mitarbeiter verzichtet werden kann, abgesehen vom wöchentlich geregeltem Ausgang.
Wenn da nicht diese zwischenmenschlichen Beziehungen wären, mit all ihren Emotionen, Höhen und Tiefen. Wir stehen nicht selten vor der Entscheidung ein Pärchen einzustellen, um so gleich zwei offene Positionen neu besetzen zu können. So lange diese Beziehung funktioniert, ist ja auch alles gut. Wehe aber es knistert und kriselt, dann fehlen ganz plötzlich zwei Mitarbeiter auf einmal. Und so geschah es, das ein Patissier den weiblichen Reizen einer willigen Schönheit nicht widerstehen konnte. Dumm war nur, das sich besagter Patissier in einer Beziehung befand, und seine damalige Freundin von dieser Liaison schnell Wind bekam. Mit seiner Bankomat-Karte im Gepäck schnappte sie sich kurzerhand noch seinen italienischen Flitzer gleich mit und begab sich auf eine Spritztour nach Spanien. Dies machte im Hotel unter den Mitarbeitern schnell die Runde, und so dauerte es nicht lang, bis sich der Patissier bei mir im Küchenbüro einfand um nach kurzfristigem Urlaub anzufragen. Natürlich war auch ich bereits über die Vorkommnisse im Bilde, konnte nun aber wirklich nicht zu diesem Zeitpunkt bei wunderschönem, sommerlichem Wetter, Hochsaison, geplanten Tagungen und Hochzeiten, auf seine geschätzten Dienste im Küchenteam verzichten. 10 Minuten später war es dann passiert: er hatte sich den Finger in die rotierende Eismaschine gesteckt. Ob nun absichtlich oder nicht, an weiterarbeiten war nicht mehr zu denken. Der Finger war böse gequetscht und er musste sofort zum Arzt und fiel daraufhin wochenlang in der Küche aus. Zeit genug für ihn, sich um seine privaten Angelegenheiten zu kümmern und diese ins Reine zu bringen…