In den letzten Jahren verzeichneten wir in der Gastronomie einen enormen Anstieg an Lebensmittelunverträglichkeit, Allergien, Ernährungsumstellungen aus Überzeugung, gesundheitlichen oder religiösen Gründen. An sich ein Thema, das mir stets im Umgang mit Gästen ein sehr ernstes Anliegen war. War ich doch von Geburt an selber davon betroffen. Zur Welt gekommen in der Schweiz in der Nähe von Zürich im Jahr 1967, bemerkte meine Mutter im Alter von einem halben Jahr nach der Umstellung von Muttermilch auf feste Nahrung eine sehr starke Veränderung an mir. Das ging so weit, das ich die Aufnahme von Nahrung rigoros verweigerte. Unser damalige Kinderarzt meinte zu meiner Mutter, sie solle sich keine Sorgen machen, das wäre völlig normal, das würde an den Zähnen liegen. Meine Mutter jedoch ließ nicht locker. Zwischenzeitlich war ich schon recht abgemergelt und kränklich. Eine Einweisung ins Krankenhaus erschien unumgänglich. Und so kam ich denn auch 1968 in das Kinderspital nach Zürich. Dort wurden erst einmal allerlei Tests an mir durchgeführt, so das man am Ende nicht mehr wusste, an welcher Stelle man noch Blut an mir abnehmen könnte, so zerstochen war ich bereits. Schlussendlich kam die Diagnose: Zöliakie
Heute gehört diese Erkrankung der Verdauungsorgane zum Grundstudium eines jeden Medizinstudenten, 1967 war dies eher exotisch. Glutenfreie Kost so wie wir sie heutzutage wie selbstverständlich im Supermarkt oder Reformhaus vorfinden: Fehlanzeige. In 50 Jahren hat sich auf diesem Sektor sehr viel getan. Auch Köche sind wesentlich besser vorbereitet und geschult und in der Lage all diese Wünsche der Gäste ohne weiteres zu erfüllen. Nur leider wird diese Dienstleistungen von manchen Gästen oft falsch verstanden. Grundsätzlich sind alle Gäste gleich! Eine Allergie oder Erkrankung ändert an dieser Einstellung nichts. Und an erster Stelle steht immer der Wunsch des Gastes. Wenn aber ein Gast morgens beim Frühstücksbuffet die Finger einfach nicht vom Weinsaftschinken lassen kann, weil der ja sooo lecker ist, beim abendlichen Menü dann aber wieder auf seine rein vegetarische Ernährung besteht, dann lässt das schon ein wenig an der Glaubwürdigkeit zweifeln.
Sechs Jahre lang wurde ich von einer sehr netten und kultivierten Dame, die für einen großen Gourmetführer hier in Österreich publizierte, getestet. Sechs Jahre wählte Sie bei Ihren regelmäßigen Besuchen in unserem Haus stets vegetarische Gerichte, während ihre Tischgenossen kunterbunt aus unserem Speiseangebot bestellten. Sie nahmen wir zum Anlass, unser vegetarisches Angebot entsprechend zu erweiterten, durch einen zusätzlichen Aufstrich oder eine vegetarische Speisekarte. An einem wunderschönem Sonntagnachmittag bei Kaiserwetter und sommerlichen Temperaturen grinste mich mein Oberkellner an und meinte, meine „Freundin“ säße im Restaurant. Mir war sofort bewusst auf wen sich seine Worte bezogen. Ich fragte was sie essen wolle und im meinem Kopf begann ich synchron bereits Gerichte zu kreieren, welche ich ihr schnell anbieten könnte. „Sie würde heute gerne mal ein Wiener Schnitzel essen.“
Allerdings muss ich eingestehen, das ich einem Gast auch mal das große Silversterfeuerwerk vermiest habe. Er war Nussallergiker. Für mich ein sehr ernst zunehmendes Thema, ist die letzte Hilfe doch nicht selten nur noch die sogenannte Notfalltablette oder gar die Rettung. Dieser Gast war an sich in unserem Haus sehr bekannt und auch sein Handicap. Alle Posten in der Küche waren nochmals instruiert peinlichst darauf zu achten, bei ihm absolut nichts mit Nüssen zu verwenden. Aber leider haben Patissiers die Angewohnheit, Eiskugeln am hin- und herrollen auf dem Teller durch die Verwendung von Nussbrösel zu hindern…eine Viertelstunde war der Gast außer Gefecht gesetzt, dann ging es Gott sei Dank wieder.